März 2023: Netzwerktag Soziale Landwirtschaft
Praktiker und Netzwerkpartner machen Mut für neue Wege

Mehrere Personen sitzen in einem Halbkreis beisammen, nebenher geht ein HuhnZoombild vorhanden

Foto: Marleen Hummel

So vielfältig wie das Spektrum der Sozialen Landwirtschaft, so vielfältig waren auch die Teilnehmenden und Referenten, die am schwäbischen Netzwerktag für Soziale Landwirtschaft Anfang März in Horgau zusammenkamen.

Mit dem Ziel das Netzwerk zu erweitern, veranstaltete das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) Kempten in Kooperation mit den Ansprechpartnerinnen für Soziale Landwirtschaft der anderen schwäbischen Ämter das Treffen als Austauschplattform für bereits engagierte Anbieter, Betroffene, Vertreter von sozialen Verbänden und Organisationen sowie interessierte landwirtschaftliche Unternehmerinnen und Unternehmer.

Soziale Landwirtschaft umfasst alle Angebote für Menschen mit einem erhöhten Unterstützungsbedarf, die von dem Umfeld, der Betreuung oder auch der Mitarbeit auf einem landwirtschaftlichen Betrieb profitieren. Die Spannbreite an Klienten reicht dabei von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen über Menschen mit Behinderungen bis hin zu Senioren, die dort auch Pflege- und hauswirtschaftliche Dienstleistungen in Anspruch nehmen können.

Als relativ junges Feld der Diversifizierung ist die "Soziale Landwirtschaft in Bayern durchaus noch ausbaufähig", wie Wolfgang Scholz vom gemeinnützigen Verein Soziale Landwirtschaft Bayern e.V. im Vergleich mit anderen Ländern deutlich machte. Der 2018 gegründete Verein hat daher zum Ziel die Soziale Landwirtschaft bekannter zu machen und Akteure in diesem Bereich besser zu vernetzen.
Wie wichtig und gefragt solche Angebote sind, betonten auch Petra Ruf und Fabian Nold vom Verein HOI! Psychosoziale Hilfsgemeinschaft e.V. aus Kempten, die über Betreutes Wohnen von psychisch erkrankten Menschen in Gastfamilien referierten. Nicht nur für die Klienten ist dies eine tolle Chance, auch für die Gastfamilien stelle dieses Konzept sowohl einen ideellen als auch wirtschaftlichen Zugewinn dar. Entscheidend für den Erfolg sei dabei laut Nold „das geeignete Passungsverhältnis von Gast und Gastfamilie“, welches vom Verein sorgfältig ausgewählt und langfristig nachbetreut wird.

Mögliche Betriebszweige

Beschäftigung von Menschen mit Beeinträchtigung

Ein weiteres Modell der sozialen Landwirtschaft stellte Tobias Wiedenmann vor, der sich als „anderer Leistungsanbieter“ (AlA) anerkennen ließ und auf seinem Hof Menschen mit Beeinträchtigungen beschäftigt. Gegenüber einer klassischen Beschäftigung an einem Außenarbeitsplatz über eine Werkstatt für Menschen mit Behinderung (WfbM) biete die Anerkennung als AlA viele Vorteile:
  • Der Klient erhält beispielsweise einen höheren Festlohn und behält gleichzeitig seinen Erwerbsminderungsstatus.
  • Der Landwirt muss wiederum geringere Voraussetzungen erfüllen und kann trotzdem von höheren staatlichen Zuschüssen profitieren.
  • Bei der Arbeit mit seinen Klienten ist Tobias Wiedemann eines außerdem besonders wichtig, nämlich, „dass den Klienten eine Tätigkeit gegeben wird, die Marktwert hat“ und nicht einfach nur als ‚Zeitvertreib‘ dient.

Selbstbestimmtes Leben für demenzkranke Menschen

Über ihre Arbeit auf dem Fredlhof Ichenhausen berichtete Andrea Berchtold, die zusammen mit ihrem Team für die Betreuung einer Wohngemeinschaft für demenziell erkrankte Menschen zuständig ist. Die derzeit Sechs-Köpfige Wohngemeinschaft lebe größtenteils eigenständig und werde täglich stundenweise betreut.
„Selbstbestimmung ist [dabei] oberstes Gebot“, wie Berchtold betonte. Daher „lassen [wir] unsere Bewohner immer mitentscheiden“, wenn es und Umbauten oder Veränderungen im Wohnbereich oder im Garten gehe. Nicht nur für die Bewohner hat das Leben auf dem Hof und mit den Tieren einen positiven Einfluss, auch das Dorfleben habe sich verändert, sodass Dorfbewohner vermehrt auf den Hof kommen und diesen v. a. nach Corona als Begegnungsstätte schätzen.

Kindergarten auf dem Bauernhof

Wie positiv sich der Kontakt zu Tieren auswirkt, betonte auch Daniela Golder-Eisenbarth, Leitung des Bauernhofkindergartens Reimlingen und Preisträgerin der „Bäuerin als Unternehmerin des Jahres 2022“. Sie eröffnete nach mehr als drei Jahren Genehmigungs-, Planungs- und Bauphase 2021 ihren Bauernhofkindergarten. Für die aufwändige Sanierung des alten Holzstadels war viel Eigenleistung nötig. Aber die Anstrengung habe sich gelohnt, denn so konnte ein neuer Betriebszweig geschaffen werden, der den Bauernhof und die Landwirtschaft für Kinder erlebbar macht.

Einblick in die Praxis

Als krönender Abschluss wurde am Ende des Netzwerktages der Erlebnishof von Carolin Reh besichtigt, auf dem betreutes Wohnen und tiergestützte Pädagogik angeboten wird. Nachdem die Teilnehmenden dort von einer Hühnerschar aus Seidenhühnern, Perduanern und einem modernen englischen Zwergkämpfer begrüßt wurden, gab Carolin Reh einen ganz besonderen Einblick in ihre Arbeit und den Betrieb.
Während sie die interessierten Teilnehmenden vom Hasengehege in Richtung Ziegen- und Eselstall führte, erklärte die gelernte Kinderpflegerin, wie die Arbeit mit den Kindergruppen und den sehr verschiedenen Bewohnern das Hofleben bereicherten: „Mich macht es zufrieden, wenn ich zeigen kann, dass man anderen Menschen helfen kann.“ Daher ist sie froh, dass ihre ganze Familie hinter dem Konzept stehe, und auch für weitere Formen, wie die derzeit geplanten Mutter-Kind-Angebote offen ist.

Fazit

Der Netzwerktag verdeutlichte anhand von zahlreichen Praxisbeispielen die Vielseitigkeit der Sozialen Landwirtschaft und lieferte neue Perspektiven und Impulse, um interessierten Betrieben den Einstieg in die Soziale Landwirtschaft zu erleichtern. Die „lebhaften und detaillierten Einblicke in tolle Projekte“ kamen dabei besonders gut an und machen Mut für neue Wege, wie die Teilnehmenden in der Abschlussrunde rückmeldeten.